Der Steuerwettbewerb kann gar nicht funktionieren
Trotz Rezession sind in der Schweiz nach wie vor Steuersenkungsprojekte unterwegs. In der Zentralschweiz jagen sich die Steuergesetzrevisionen. Im Kanton Luzern sollen die Gewinnsteuern plus andere Steuern auf 2011 teilweise auf Tiefststände gesenkt werden. Nun legt Nidwalden mit weiteren Gewinnsteuersenkungen und Senkungen der Steuersätze für höchste Einkommen wieder vor. Der Steuersenkungswettlauf, der sich in den letzten Jahren akzentuiert hat, kommt offenbar nicht zum Stillstand. Dieser Entwicklung ein Ende setzen könnte die SP-Steuergerechtigkeitsinitiative, die auf Bundesebene Minimalsätze für die Besteuerung der hohen Einkommen und Vermögen festlegen will.
Überraschenderweise kommt Economiesuisse in ihrem Argumentarium gegen die SP-Initiative zum Schluss, dass in der Schweiz gar kein Steuersenkungswettlauf stattfinden würde und die Steuereinnahmen im Vergleich zum BIP sogar gestiegen seien. Doch eine korrekte Betrachtung ergibt ein anderes Bild. Die Steuereinnahmen müssen zum Steuersubstrat - dem, was besteuert wird - in Bezug gesetzt werden. Und das ist nun einmal nicht das BIP.
Gegenwärtig liegen erst Daten bis 2007 vor. Seither sind viele zusätzliche Steuersenkungen beschlossen worden. Doch das Bild, das sich zeigt, gibt zu denken. Sehr stark gesunken sind die Einnahmen aus der Erbschaftssteuer (Link; 2000 bis 2007: -30%), obwohl die Vermögen in der Schweiz zugenommen haben (Link: 1997-2006: +66%). Auch die Vermögenssteuereinnahmen hielten mit der Vermögensentwicklung nicht Schritt; in den Jahren von 1997 bis 2006 ist der durchschnittliche Vermögenssteuersatz um 10 Prozent gesunken. Das Verhältnis Einkommenssteuern zu Haushalteinkommen ist bis 2007 relativ konstant geblieben. Da über den gleichen Zeitraum die Ungleichverteilung der Einkommen zugenommen hat, müsste diese Relation eigentlich gestiegen sein. In den letzten Jahren stark zugenommen haben die Einnahmen aus der Gewinnsteuer, was auf den ersten Blick vielleicht etwas überraschend ist, sind doch zahlreiche Steuersenkungen beschlossen worden. Es gibt zwei Erklärungen: Erstens sind die Gewinne der Unternehmen ebenfalls stark gestiegen und zweitens können EU-Unternehmen seit der Einführung des Zinsbesteuerungsabkommens ihre Erträge im Ausland steuerfrei in Schweizer Headquarters transferieren und nur hierzulande Steuern zahlen. Das hat zu zahlreichen Ansiedlungen von Firmensitzen geführt.
Eine eingehendere Betrachtung zeigt also, dass der interkantonale Steuerwettbewerb tatsächlich zu tieferen Steuersätzen und tieferen Steuereinnahmen führt. Das ist auch kein Wunder, denn der Steuerwettbewerb kann gar nicht funktionieren. Auch wer in der Tiefstssteuergemeinde Wollerau im Kanton Schwyz wohnt, kann z.B. von dem kulturellen Angebot und der Infrastruktur usw. in der Stadt Zürich profitieren. Alle können "konsumieren", aber nur ein Teil der Konsumenten bezahlt. Das "Verbraucherprinzip" gilt nicht. Daher kann der Wettbewerb gar nicht spielen. Im Gegenteil droht die Gefahr, dass infolge der Steuerflucht von hohen Einkommen und Vermögen in Tiefsteuergemeinden eine Unterversorgung mit öffentlicher Infrastruktur entsteht.
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