Gleichstellung mit Avenir Suisse – oder wie rede ich mir Diskriminierung schön
Gastblog von David Gallusser
Avenir Suisse hat sich kürzlich in einem Debattenpapier der Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern gewidmet. Ihre Erkenntnisse: Die Unternehmen trifft keine Schuld, dass Frauen immer noch 15.1 Prozent weniger verdienen als Männer (gemessen am mittleren Lohn). Vielmehr seien die Frauen für die tieferen Löhne selbst verantwortlich. Sie ziehen Kinderkriegen der Erwerbsarbeit vor und würden „sich mit einem allzu bescheidenen, stets kompromissbereiten Verhalten letztlich selbst diskriminieren“ (S. 44).
Dass Avenir Suisse zu dieser Schlussfolgerung kommt, überrascht nicht. Denn sie entbinden damit ihre Geldgeber – die Schweizer Grossunternehmen – von jeglicher politischen Verantwortung. Richtig ist der Schluss deswegen aber noch lange nicht:
- Unternehmen profitieren davon, Frauen tiefere Löhne zahlen zu können. Ein Grund ist die grössere Verhandlungsmacht der Firmen gegenüber Frauen. Unter anderem weil Frauen die Hauptlast der Familienarbeit tragen und weniger flexibel bei der Wahl der Stellen sind, können Firmen ihre Löhne drücken (siehe zum Beispiel: Ransom und Oaxaca (2010)). So zeigen bspw. Ökonomen der KOF, dass die Gewinnquote in den Unternehmen mit dem Frauenanteil steigt.
- Immerhin: Lohndiskriminierung wird auch von Avenir Suisse nicht geleugnet. Allerdings wird sie als „statistische Diskriminierung“ (S. 30ff.) schön geredet. Unternehmen würden Frauen tiefere Löhne zahlen, um sich gegen Kosten zu versichern, die entstehen, wenn Frauen Kinder kriegen und dem Betrieb nicht mehr (uneingeschränkt) zur Verfügung stehen. Auch wenn es höchst fraglich ist, die allfälligen Kosten überhaupt objektiv zu bestimmten, ohne sich selbst von sexistischen Vorstellungen blenden zu lassen, mag das eine Ursache sein. Nichtsdestotrotz: Diskriminierung bleibt Diskriminierung. Ob sie aus blosser Frauenfeindlichkeit oder Profitabsicht geschieht, spielt keine Rolle.
- Den grössten Eifer legt das Debattenpapier bei der Kritik der Messung von Diskriminierung an den Tag. Die Messungen werden im Grossen und Ganzen als unseriös dargestellt (S. 37). Die Motivation: Gesetzliche bindende Lohnüberprüfungen in Unternehmen sollen verhindert werden (bspw. mit Logib). Doch wie schlecht steht es um die Messung von Diskriminierung tatsächlich? Diskriminierung wird unter anderem dann verzerrt gemessen, wenn nicht alle lohnrelevanten Eigenschaften von Beschäftigten, die ungleich über die Geschlechter verteilt sind, in den Schätzungen berücksichtigt werden. Hier stellen sich tatsächlich Probleme, bspw. ist es schwierig die Arbeitserfahrung exakt zu bestimmen. Anzunehmen, alle nicht gemessenen Eigenschaften wie Motivation, Sprachenkenntnisse etc. fallen immer zu Ungunsten der Frauen aus und die die Diskriminierung werde systematisch überschätzt, ist aber falsch. Eine neuere Studie der Uni St. Gallen und Infras zeigt dann auch, dass die Verfahren zwar durchaus verbessert werden können, es aber keinen Anlass gibt sie grundsätzlich in Frage zu stellen.
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