Zu den Studien von Gfs und Sotomo zum Resultat der Masseneinwanderungs-Initiative: Schlüsselrolle für den Schutz der Löhne und Arbeitsplätze
Was die Annahme der „Masseneinwanderungs-Initiative“ am 9. Februar 2014 betrifft, weisen sowohl die Vox-Analyse als auch die jüngste Gfs-Umfrage darauf hin, dass die Sorge um die Löhne und die Arbeitsplätze eine wichtige Rolle gespielt haben. Das überrascht wenig. Aussenpolitische Öffnungen sind abstimmungspolitisch keine Sonntagsspaziergänge. In der Vox-Analyse war beispielsweise bereits für 34 Prozent der Befragten das Argument entscheidend, dass es in der Schweiz zu viele Ausländer gäbe. Wenn dann noch weitere Bedenken dazukommen, wird es eng. Das war offenbar bei der Abstimmung damals der Fall. Denn gemäss der aktuellen Gfs-Studie sind 53 Prozent mit der Aussage einverstanden, dass die Schweizer Löhne durch die Personenfreizügigkeit unter Druck kommen. Wirksame Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping dürften somit ein Ja zur « Masseneinwanderungs-Initiative » verhindert haben.
Etwas exotisch mutet sich demgegenüber die Studie des Politologen Michael Herrmann im Auftrag des Bundes an. Die «politische Grundhaltung gegenüber Fremdem» sei vor allem ausschlaggebend gewesen. Von den Gegnern der Flankierenden Massnahmen in den Berner Bundesämtern (aus FDP und SVP) wird das so interpretiert, dass wirksamere Flankierende gar nichts am Abstimmungsresultat geändert hätten. Eine solche Aussage würde die Ergebnisse der Studie Herrmann jedoch eindeutig überinterpretieren. Doch auch Herrmann selber mit seiner Methode nicht unschuldig an dieser Schlussfolgerung.
Der Grund ist, dass Herrmann das Abstimmungsverhalten der Gemeinden vergleicht. Er stellt fest, dass die Abstimmungen zu den «Ausschaffungs-» und «Minarett-Initiativen» in den Gemeinden zu ähnlichen Resultaten geführt haben, wohingegen die Entwicklung der ausländischen Wohnbevölkerung oder der Überbauungen in den Gemeinden keine substanziellen Erklärungsbeiträge leisten würden.
Der Haken ist aber: Gemeinden selber stimmen nicht ab, sondern nur die einzelnen BürgerInnen. Um Rückschlüsse auf die Abstimmungsmotive zu erhalten, müssten diese befragt werden. Wie das in den Gfs-Umfragen gemacht wurde. Die Gemeindebevölkerungen sind heterogen. Kaum jemand bewegt sich nur in seiner Gemeinde. Sehr viele arbeiten nicht an ihrem Wohnort. Lohndumping muss deshalb nicht in der Wohngemeinde stattfinden, damit es wahrgenommen wird. Dazu kommt eine nicht unerhebliche Wohnmobilität, teilweise auch erzwungen, weil der Wohnraum in den Zentren teurer wird.
Herrmann argumentiert stark mit dem Zusammenhang zwischen dem Resultat der Ausschaffungsinitiative und der Masseneinwanderungs-Initiative (Abbildung 6). Doch effektiv ist die Streuung gross. Eine grosse Mehrheit der Gemeinden bei denen das Resultat bei der Ausschaffungs-Initiative bei 50 :50 oder leicht darüber lag, lehnte die Masseneinwanderungs-Initiative ab. Umgekehrt war die Zustimmungsbereitschaft im Tessin grösser.
Die Studie von Herrmann ist ein interessanter Beitrag zur Analyse des Abstimmungsergebnisses vom 9. Februar 2014. Doch daraus zu schliessen, dass irgendwelche politischen Grundhaltungen für die knappe Annahme ausschlagend gewesen seien, geht zu weit. Für viele StimmbürgerInnen spielen die konkreten Wirkungen der Bilateralen und der Personenfreizügigkeit eine wichtige Rolle. Alles andere wäre auch absurd. Vor dem 9. Februar haben sich Arbeitgeber und bürgerliche Parteien geweigert, die Lücken beim Schutz der Löhne und Arbeitsplätze zu schliessen. Das hat sich am 9. Februar gerächt. Auch kommende Abstimmungen werden an den konkreten Folgen gemessen. Da wird es entscheidend sein, ob die StimmbürgerInnen glauben, dass ihre wirtschaftliche Lage dadurch verbessert oder verschlechtert wird.
- 3 Kommentare Kommentar(e)
Mein Kommentar
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20. Juni 2015
Einfach nur traurig.
Wir sollten Vorbilder sein.
15. April 2015
Genau das ist das Problem!
"Gemeinden selber stimmen nicht ab, sondern nur die einzelnen BürgerInnen." Genau das ist das Problem. Würden die Stimmen der Gemeinden als solches zählen, wäre das Ergebnis ein anderes.
12. April 2015
Was ist mit der weltoffenen Schweiz?
Die Annahme des Masseneinwanderungs-Initiative hat jetzt bereits wirksame Nachteile erbracht. Es bleibt abzuwarten in welcher Form diese dann auch umgesetzt wird. Ich persönlich habe dagegen gestimmt, denn ich wünsche mir eine funktionierende Multikulturelle Schweiz.