Stark überschätzte Internet-Plattformarbeit (GIG-Work, Uberisierung usw.)
Nicht wenige Menschen lassen sich von der so genannten „Digitalisierung“ stark verunsichern. Es werden immer wieder Befürchtungen geäussert, dass sich die Arbeitsverhältnisse und damit die Arbeitsverträge aufgrund der Digitalisierung auflösen und durch Strukturen von (Schein-)Selbständigkeit ersetzt werden können. Für dieses Phänomen gibt es verschiedene Bezeichnungen und Umschreibungen wie Plattformarbeit, Gig-Work, Uberisierung, Crowdwork usw. Selbständige, projektbezogene Arbeit ist nichts Neues. Gerade in künstlerischen Bereich ist die Tätigkeit als Freischaffende relativ verbreitet. Man spricht deshalb heute wenig überraschend neudeutsch auch von GIG-Work (Gig= Konzert, Projekt).
Knapp 8 Prozent der Erwerbstätigen haben bereits heute einen Nebenverdienst bzw. Mehrfachbeschäftigung. Das ist nichts Neues: Handwerker arbeiten z.T. am Samstag für persönliche Bekannte, gewisse Fachleute unterrichten am Abend oder am Samstag an Berufsschulen, andere reinigen Büros usw. Das BFS hat im Jahr 2010 dazu eine detaillierte Studie veröffentlicht. Fast die Hälfte der Nebenjobs wird in den Branchen „sonst. DL“, „Unterrichtswesen“ und „Informatik/Immobilien“ ausgeübt. Der Anteil in der Schweiz ist im europäischen Vergleich hoch. Doch diese Nebenjobs werden kaum über das Internet vergeben.
Zum Anteil der Projektarbeit über das Internet gibt es bisher für die Schweiz zwar keine zuverlässigen Daten. Erhebungen für die USA oder für Deutschland zeigen aber, dass die Bedeutung relativ gering ist. Es wird geschätzt, dass nur rund 0.5 Prozent der Berufstätigen auf solchen Plattformen aktiv sind. Meistens handelt es sich um Nebenbeschäftigungen. Gemessen an der Gesamtlohnsumme Deutschlands beträgt der Plattformumsatz nämlich schätzungsweise tiefe 0.1 Prozent.
Man kann wohl davon ausgehen, dass künftig weitere Aufträge an Freelancer sowie Nebenbeschäftigungen über das Internet vermittelt werden. Eine gewisse Verlagerung der Auftragsvergabe im Bereich Marketing, Design, Texte verfassen u.a. an einen breiten Kreis im Internet dürfte sich fortsetzen. Z.T. sammeln die Firmen dadurch auch neue Ideen. Viele Firmen experimentieren schon heute damit. Die Folge ist eine verstärkte Konkurrenz in einem Bereich, der schon lange viele Freelancer aufweist.
Gegenüber der Befürchtung, dass die Plattformarbeit stark zunehmen und heutige Normalarbeitsverhältnisse verdrängen könnte, gibt es aber grössere Fragezeichen. Denn die heutigen, grossen Firmen haben gegenüber einer manufakturartigen, eher gewerblichen Organisationsweise, wie sie auf diesen Plattformen vorherrscht, Produktivitätsvorteile. Über eine klare Organisation mit Hierarchien und Weisungsbefugnissen können sie ihre Prozesse optimieren und von einer relativ ausgeprägten Arbeitsteilung und Spezialisierung profitieren. Dezentrale, lose Strukturen sind diesbezüglich unterlegen. Der Organisations- und Kontrollaufwand ist um ein Vielfaches grösser. Stark dezentrale Strukturen unter einem gemeinsamen Label wie z.B. Uber haben erhebliche Reputationsrisiken. Unter Umständen reichen ein paar negative Ereignisse um der Reputation der Organisation dauerhaften, grossen Schaden durchzuführen. Integrierte Firmen mit klaren Strukturen sind diesbezüglich überlegen. Sie können das Risiko von Reputationsschäden durch klare Handlungsanweisungen und Kontrollen minimieren.
Ein Problem ergibt sich aber dann, wenn die Plattformenanstellungen zu tieferen Löhnen und wesentlich schlechteren übrigen Arbeitsbedingungen erfolgen können. Dann erhalten die Plattformen einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Positiv sind deshalb die Entscheide der Arbeitsmarktbehörden und der Sozialversicherungen, solche Plattformanstellungen als normale Arbeitsverhältnisse zu betrachten (z.B. Uber-Entscheid).






