Schweiz: Bedenklich schlechter Lohnschutz im europäischen Vergleich
Die Schweiz hat im internationalen Vergleich eine bedenklich tiefe Gesamtarbeitsvertrags-Abdeckung (GAV). Nur rund 40 Prozent der Beschäftigten sind durch GAV-Mindestlöhne geschützt. Total unterstehen rund 50 Prozent der unterstellbaren Beschäftigten einem GAV (ein Teil der GAV hat keine Mindestlöhne). Fast Länder in Westeuropa haben einen höheren Abdeckungsgrad. In den meisten Ländern liegt dieser sogar bei über 80 Prozent (Grafik: ml_cov).
Wenn ein Land einen schlechten Abdeckungsgrad hat, kompensiert es diesen durch einen gesetzlichen Mindestlohn. Nur die Schweiz tut das nicht. Damit steht unser Land punkto Lohnschutz am Schluss. Dabei hat die Schweiz die höchste Einwanderung in Europa (Grafik: migsa) und die höchsten Löhne. Vor diesem Hintergrund ist dieser schlechte Lohnschutz erst recht nicht nachvollziehbar.
Aus dem Bund wird neuerdings argumentiert, dass die GAV-Lücken kein Problem seien, weil man im Dumpingfall über Normalarbeitsverträge Mindestlöhne einführen kann. Doch die Normalarbeitsverträge sind alles andere als gleichwertig:
- Gegen die Normalarbeitsverträge gibt es grossen politischen Widerstand. Bisher wurden nur wenige Normalarbeitsverträge erlassen, obwohl in zahlreichen Branchen Dumping aufgedeckt wurde. In der Deutschschweiz hat kein Kanton vom Instrument Gebrauch gemacht.
- Um einen Normalarbeitsvertrag zu erlassen, muss Lohndumping nachgewiesen werden. Das führt zu einer relativ restriktiven Anwendung des Instruments. Der Normalarbeitsvertrag kommt erst nach dem Lohndumping und hat keine präventive Wirkung.
- Normalarbeitsverträge sind befristet. Kann kein Dumping mehr nachgewiesen werden, fallen sie weg. Das ist paradox: Wirksame Normalarbeitsverträge werden nicht mehr verlängert. Damit fällt der Schutz in der Branche weg und Dumping ist wieder möglich.
- Wenn die Mindestlöhne erst eingeführt werden, wenn das Dumping stattgefunden hat, besteht die Gefahr, dass die wegen dem Dumping gesunkenen Löhne in den Normalarbeitsvertrag geschrieben werden und nicht die früheren, üblichen Löhne.
Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, hat der SGB die Mindestlohninitiative eingereicht. Man kann gespannt sein. Bleibt der Bund bei seiner ideologischen Haltung gegen einen wirksamen Arbeitnehmerschutz? Oder ist er endlich bereit Massnahmen zu ergreifen, dass die Schweizer Löhne wenigstens einigermassen so gut geschützt sind, wie im übrigen Europa?
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