Beschäftigungswachstum in der Industrie: Verdrängen Temporärjobs Dauerstellen?
Im 3. Quartal 2010 ist die Beschäftigung in Industrie/Bau um 0.4 Prozent gestiegen (geg.Vorjahr in Vollzeitäquivalenten) - das sind 4300 zusätzliche Stellen. Damit hat sich die Beschäftigungssituation auf den ersten Blick einigermassen stabilisiert. Beunruhigend ist aber, dass der grösste Teil dieser zusätzlichen Jobs Temporärjobs zu sein scheinen und keine Dauerstellen. Die Zahl der Dauerstellen wäre sogar gesunken. Das zumindest, wenn die verfügbaren Daten stimmen.
Denn es ist erstens nicht ganz sicher, ob die vom BFS befragten Firmen bei der Beschäftigungsstatistik auch die bei ihnen arbeitenden Temporärbeschäftigten melden. Zweitens stammen die verfügbaren Daten über Temporäre vom Temporärbüroverband Swissstaffing - sie sind keine offiziellen Statistiken. Doch gehen wir davon aus, dass die Daten korrekt seien, da wir keine anderen haben.
Der Temporärbüroverband Swissstaffing schreibt, dass 2009 über 40'000 Temporäre in der "Industrie" gearbeitet haben (umgerechnet auf Vollzeitstellen) (Link). Gleichzeitig frohlockt er über ein Rekordwachstum. Im dritten Quartal 2010 hätte die Zahl der Temporären insgesamt gegenüber dem Vorjahr um rund 20 Prozent zugenommen (Link). Trifft das auch für die Industrie zu, bedeutet das eine Zunahme von ungefähr 8000 Vollzeit arbeitenden Temporären in diesem Sektor. Stellt man diese Zunahme bei den Temporären dem Anstieg der Stellen insgesamt von 4300 gegenüber, so wären rund 4000 Dauerstellen auf Kosten von Temporärstellen verschwunden. Für die Beschäftigten in der Schweiz, die mehrheitlich unfreiwillig temporär arbeiten, ein empfindlicher Verlust.
In vielen Schweizer Arbeitsämtern herrscht die Auffassung, dass Arbeitslose durch Temporärarbeit wieder dauerhaft im Arbeitsmarkt Fuss fassen können ("Sprungbretteffekt"). Doch internationale Studien zeigen eher das Gegenteil. Eine Untersuchung für die USA kam zum Schluss, dass ein Temporärjob in Bezug auf die späteren Beschäftigungsperspektiven für die Betroffenen sogar negativ ist (Link). Selbst eine Studie der deutschen Regierung, die Temporärarbeit seit Schröder gefördert hat, ist ernüchternd. Zwar hat die Temporärarbeit sehr stark zugenommen, doch die Chance, damit eine Dauerstelle zu finden, ist gering (Link). Unabhängige Studien weisen sogar nach, dass Dauerstellen durch Temporärjobs verdrängt wurden (s. früheren Blog-Eintrag).
- 0 Kommentare Kommentar(e)
Mein Kommentar
Die Kommentarfunktion ist für diesen Artikel deaktiviert.


