Schlechtere Leistungen bei der Arbeitslosenversicherung beeiträchtigen Produktivität
In wenigen Wochen wird das Parlament die Revision der Arbeitslosenversicherung (ALV) beraten. Man kann sicher sein: Von bürgerlicher Seite werden Vorschläge kommen, die Leistungen stark zu kürzen. Vor zwei Wochen hat der Direktor des Gewerbeverbandes, Hans-Ulrich Bigler, bereits vorgeschlagen, die ALV-Taggelder abhängig von der Dauer der Arbeitslosigkeit zu kürzen. Je länger jemand arbeitslos ist, desto weniger Geld erhält er oder sie von der Arbeitslosenversicherung.
Eine solche Massnahme würde nicht nur das Leid der von der Arbeitslosigkeit betroffenen weiter erhöhen, sondern sie hätte auch dauerhaft negative Auswirkungen auf die Erwerbsbiografie der betroffenen Personen und die Produktivität der Schweizer Wirtschaft.
So hat der Forscher Markus Gangl in einem Vergleich der Arbeitslosigkeit in den USA und in Deutschland herausgefunden, dass eine Arbeitslosenversicherung mit guten Leistungen (u.a. einer ausreichenden Bezugdauer und Ersatzquote) die Beschäftigungschancen und die Lohnentwicklung von Arbeitslosen dauerhaft verbessert (Link). Die Arbeitslosen haben genügend Zeit, einen ihren Fähigkeiten entsprechenden Job zu finden. Eine schlechte Arbeitslosenversicherung hingegen zwingt Arbeitslose dazu, möglichst rasch einen Job anzunehmen. Und zwar auch einen Job, bei dem sie ihr Know-how nicht einbringen können. Das erhöht die Gefahr, dass z.B. früheres Wissen entwertet wird. Gangl spricht von einem Vernarbungseffekt ("scar effect"): Wer arbeitslos wird und gezwungen ist, schnell wieder eine Arbeit anzunehmen, hat dauerhaft schlechtere Arbeitsmarktperspektiven als Personen mit gleichen Eigenschaften, die nicht arbeitslos geworden sind.
Diese Schlussfolgerungen werden auch von Studien der OECD belegt (Link). Die OECD hat festgestellt, dass Länder, die die Leistungen der Arbeitslosenversicherungen kürzen, Produktivitätseinbussen erleiden können. Wie Gangl betonen die AutorInnen der Studie, dass die Möglichkeit, aufgrund von besseren Leistungen länger den richtigen Job suchen zu können, die Chancen erhöht, dass das Wissen der Arbeitslosen nicht verloren geht. Ein weiteres Argument ist, dass eine gute Arbeitslosenversicherung dazu beitragen kann, dass die Beschäftigten auch bereit sind, hochproduktive Jobs mit einem erhöhten Arbeitslosigkeitsrisiko anzunehmen.
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