Auch unter der Personenfreizügigkeit darf die Schweiz alles tun, um Löhne und Arbeitsplätze zu schützen - das Beispiel der Solidarhaftung
In den jüngeren Angriffen auf die Bilateralen - und insbesondere auf die Personenfreizügigkeit - wird verschwiegen, dass die Bilateralen nur zusammen mit der Personenfreizügigkeit zu haben sind. Für die Schweizer Arbeitnehmenden wäre der Wegfall der Bilateralen schlecht. Die Schweiz ist auf gute und geregelte Beziehungen mit der EU angewiesen. Schliesslich gegen rund 60 Prozent der Exporte in die EU. Bei einem Wegfall der Bilateralen wäre z.B mit Auslagerung von Produktion oder mit Druck auf die Preise zu rechnen. Die Folge: Weniger Arbeitsplätze und Druck auf die Löhne.
Was ebenfalls verschwiegen wird: Auch unter der Personenfreizügigkeit ist in der Schweiz alles erlaubt, um die Arbeitsplätze und die Löhne zu schützen. Es gibt nur eine Einschränkung: Die Massnahmen dürften EU-Staatsangehörige gegenüber SchweizerInnen nicht benachteiligen. Dieser Schutz ist in den Flankierenden Massnahmen angelegt. Wenn die Arbeitgeber für Ausländer dieselben Löhne bezahlen müssen, stellen sie in der Regel eher die Inländer ein. Die Löhne werden geschützt und die Verdrängung von Inländern verhindert. Die Schweiz darf die Flankierenden beliebig verschärfen. Das passt den Arbeitgebervertretern aus SVP (Spuhler, Blocher) oder FDP (Müller) nicht. Sie wollen ausländische Arbeitskräfte ohne Schutz von Löhnen und Arbeitsplätzen rekrutieren können. Darum plädieren sie für Neuverhandlungen mit der EU.
Um den Schutz der Flankierenden zu verbessern, wäre beispielsweise mit der Einführung der Auftraggeberhaftung viel gewonnen. Heute kann ein Generalunternehmer oder ein Auftraggeber nicht für Dumpinglöhne seiner Unterakkordanten verantwortlich gemacht werden, wenn er diese in einem Vertrag verpflichtet, die Schweizer Arbeitsbedingungen einzuhalten. Wenn der Kontrolleur kommt, ist er aus dem Schneider. Dumping ist dennoch eine Realität. Zahlreiche Auftraggeber lassen es deshalb darauf ankommen. Sie verpflichten ihre Unterakkordanten auf einem Stück Papier dazu, die Schweizer Arbeitsbedingungen einzuhalten. So kommen sie zu billigerer Arbeit, ohne dass sie für das Dumping mitverantwortlich sind. Mit der unbedingten Solidarhaftung wäre das anders. Sie wären mitverantwortlich für Dumping und könnten sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen. Wenn ihnen droht, in jedem Fall für Dumping gerade stehen zu müssen, würden sie genauer hinschauen. Das hätte bereits eine grosse präventive Wirkung. Sie würden dann im Zweifelsfall diejenige Firma nehmen, die die Schweizer Arbeitsbedingungen mit grosser Wahrscheinlichkeit einhält. Das sind in der Regel bekannte Firmen. Abenteuerliche Neueinsteiger, die von weit her kommen, hätten es dann schwerer. Viele von ihnen würden dann bei der Auftragsvergabe nicht mehr berücksichtigt. Zugunsten von soliden, oft einheimischen Firmen.
Im Moment hat es die Solidarhaftung politisch schwer. Doch spricht aus wirtschaftspolitischer Sicht viel für sie.
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