Arbeitgeberverband will Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht anpacken - sorgt nun BR Schneider-Ammann für "Ordnung im Stall"?
Im Hinblick auf die SGB-Delegiertenversammlung vom kommenden Freitag hat der Arbeitgeberverband heute schon mal präventiv eine Drohung abgesetzt (mit der Neuschöpfung der "Deflexibilisierung"): Bei einer Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes würden Tausende von Arbeitsplätzen auf dem Spiel stehen. In diesem Blog wurde schon verschiedentlich auf den heutigen Forschungsstand zum Thema Arbeitnehmerschutz und Beschäftigung hingewiesen – beispielsweise auf OECD-Papiere. Diese zeigen, dass es keinen robusten Zusammenhang gibt. Ein besserer Arbeitnehmerschutz führt grundsätzlich weder zu mehr, noch zu weniger Arbeitslosigkeit.
Ein interessantes Studienobjekt ist Deutschland. Im Vorfeld der Verbesserungen beim Arbeitnehmerschutz malen die Arbeitgeber jeweils düstere Beschäftigungsszenarien. Doch wenn die Verbesserungen einmal eingeführt sind, kann man keine entsprechenden Negativeffekte feststellen. Deutschland hat einen gesetzlichen Mindestlohn von 8.50 Euro eingeführt, der wegen dem ausgeprägten Tieflohnsektor in Deutschland weit mehr Arbeitsplätze betroffen hat als der für die Schweiz vorgeschlagene Mindestlohn von 22 Fr. Und Deutschland hat die Hürden für die Allgemeinverbindlich-Erklärung von Gesamtarbeitsverträgen in den letzten Jahren weitgehend abgeschafft, während die Schweiz europaweit höchste Hürden aufweist (Bedingungen u.a.: 50% der GAV-Vertragsfirmen müssen 50% des Personals einer Branche beschäftigen).
Die Beschäftigung in Deutschland entwickelt sich gut. In Bezug auf die Erwerbslosigkeit (gemäss ILO) holt das Land die Schweiz erstmals seit Jahrzehnten ein. Arbeitnehmerschutz und tiefe Arbeitslosigkeit sind kein Widerspruch – im Gegenteil.
Bis zur Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Rumänien und Bulgarien gab es in der Schweiz einen Konsens, dass die Missbräuche der Arbeitgeber bei den Löhnen und Arbeitsbedingungen bekämpft werden müssen. Auseinandersetzungen gab es einzig in Bezug auf die Identifikation der Missbräuche und in Bezug auf die Massnahmen. Diese Übereinstimmung in Bezug auf die Missbrauchsbekämpfung führte zu den Flankierenden Massnahmen, die in vielen Branchen Dumping verhindert oder mindestens eingedämmt haben. Und sie wirkte vertrauensbildend – gegenüber der Bevölkerung, aber auch unter den Sozialpartnern. Alle Volksabstimmungen zu den Bilateralen hatten eine Ja-Mehrheit.
Unter dem neuen Volkswirtschaftsminister Bundesrat Schneider-Ammann hat sich die Situation geändert. Die offizielle Rhetorik – „Ordnung im Stall“ – richtete sich zwar weiterhin gegen Missbräuche. Doch im Vorfeld der Volksabstimmung über die Masseneinwanderungs-Initiative vom 9. Februar 2014 gelang es nicht, gemeinsame Lösungen der Missbrauchsproblematik zu finden. In der extrem knapp ausgegangenen Abstimmung rächte sich das bitter.
Der von den Arbeitgebern als Referenz zitierte Seco-Bericht zur Umsetzung der Flankierenden Massnahmen spricht eine deutliche Sprache. Dumping ist in der Schweiz eine Realität. Doch es fehlen zahlreiche Instrumente, um das Dumping zu bekämpfen. Beispielsweise ist nur rund die Hälfte der Arbeitsplätze durch Mindestlöhne geschützt. In der heutigen NZZ beklagt sich sogar erstmals der Präsident Schweizerischen Vereinigung Beratender Ingenieurunternehmungen – ein Arbeitgeber - über Dumping und Lohndruck. In gewerblichen Branchen ist die Sorge der korrekt zahlenden Arbeitgeber vor Dumping schon länger allgegenwärtig.
Die Bilateralen Verträge müssen den Arbeitnehmenden in der Schweiz nützen. Missbräuche der Arbeitgeber müssen bekämpft werden. Angesichts der harten, teilweise weit von der eigenen Basis entfernten Haltung des Arbeitgeberverbandes kommt Bundesrat Schneider-Ammann eine Schlüsselrolle zu. Mit Rhetorik alleine lassen sich die Sorgen der Bevölkerung nicht aus der Welt schaffen. Es braucht Taten. Dazu braucht es die Zusammenarbeit aller konstruktiven Kräfte im Land.
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