Ein Inflationsziel für die US-Notenbank? Schlechte Nachrichten für die US-Arbeitnehmer?
Gemäss einem Bericht der Financial times denkt Ben Bernanke über die Einführung eines expliziten Inflationsziels in der US-Geldpolitik nach. Damit würde das Federalreserve der EZB bzw. der SNB folgen.
In den Wirtschaftswissenschaften geht man von einem Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit aus (Phillips-Kurve). Sinkt die Arbeitslosigkeit bzw. läuft die Konjunktur besser, so steigt das Risiko, dass die Inflation steigt. Bei guter Konjunktur können die Firmen eher höhere Preise durchsetzen und die Chancen für Lohnerhöhungen steigen. Weil die Geldpolitik über die Zinsen die Inflation nicht direkt beeinflussen kann, muss sie die Inflation indirekt über die Konjunktur steuern. Um die Inflation zu senken, muss sie über die Zinserhöhung eine höhere Arbeitslosigkeit in Kauf nehmen.
In der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung der letzten 10 Jahre wurde festgestellt, dass sich der Zusammenhang zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit verändert hat. Um die Inflation zu senken, muss neu in zahlreichen Ländern ein stärkerer Anstieg der Arbeitslosigkeit in Kauf genommen werden. Die Phillips-Kurve ist flacher geworden.Wenn eine Zentralbank sich auf Preisstabilität konzentriert, nimmt sie in diesem Umfeld zwangsläufig stärkere Schwankungen der Arbeitslosigkeit in Kauf, was wirtschaftlich unerwünscht ist.
Woher diese Veränderung kommt, ist kontrovers. Das Argument, dass die Globalisierung über mehr internationale Konkurrenz den Preisauftrieb verhindert, dürfte tendenziell überschätzt werden, wie ökonometrische Untersuchungen zeigen.
Ein anderes Argument ist, dass die Zentralbanken die Preisstabilität in der Wirtschaft glaubwürdig verankern konnten, so dass Firmen, Arbeitnehmer und Privathaushalte auf Preis- und Lohnerhöhungen eher verzichten würden. Dieses Argument hat ebenfalls Schwächen. Warum soll eine einzelne Firma auf Preiserhöhungen verzichten, wenn die Kunden höhere Preise zahlen würden? Wenn sie die höhere Zahlungsbereitschaft nicht abschöpft, tut es die Konkurrenz. Plausibel ist einzig, dass wegen der über längere Zeit tiefen Inflation Teuerungsausgleichstbestimmungen aus Verträgen verschwunden sind, was eine mögliche Inflationsverstärkung verhindert.
Allerdings kann diese flachere Phillips-Kurve auch eine Folge der tiefen Inflation selber sein. Generell sinken Nominallöhne kaum, weil Lohnsenkungen bei bestehenden Arbeitsverhältnissen Änderungskündigungen notwendig machen würden (nominelle Rigidität). Bei nur schwach wachsenden oder sogar stagnierenden Löhnen hat deshalb ein Anstieg der Arbeitslosigkeit kurzfristig nur geringe Auswirkungen auf Löhne und Teuerung.
Für die Geldpolitik während der gegenwärtigen Krise hat sich die tiefe Inflation vor Ausbruch der Krise als Erschwernis herausgestellt. Weil die Zinsen wegen der tiefen Teuerung tief waren, konnten sie nicht stark gesenkt werden. Um die Geldpolitik weiter zu lockern, waren zusätzliche Massnahmen (quantitative Easing) notwendig. Diese haben die Bilanzen der Zentralbanken stark aufgebläht. Der IWF-Chefökonom Blanchard hat denn auch 2010 die Frage aufgeworfen, ob die Inflationsziele der Zentralbanken nicht angehoben werden müssten.
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