Senkung der Pensionskassenrenten wegen tieferen Zinsen? Bisher fehlen zwingende Argumente
Die Schweizer Bevölkerung hat mit klarer Mehrheit gegen die Senkung des Mindestumwandlungssatzes bei der 2. Säule gestimmt. Nun wird in Bundesbern wieder eine Senkung vorbereitet. Die Begründung ist ähnlich. Weil die Zinsen tiefer sind, müssen die Renten aus einem angesparten Franken der 2. Säule ebenfalls tiefer sein. Auf den ersten Blick ist das Zinsniveau tatsächlich tief. Die 10-jährige Bundesobligation rentiert mit 1.8 Prozent.
Doch von diesem aktuellen Wert auf die künftige Zinsentwicklung zu schliessen, ist heikel. In der Geschichte gab es immer wieder Tiefzinsphasen (Link, S. 34ff.), die von Perioden mit höheren Zinsen abgelöst wurden. Die 2. Säule hat einen längeren Anlagehorizont. Das Alterskapital wird über rund 40 Jahre angespart und in rund 20 Jahren aufgebraucht. In den letzten 20 Jahren rentierte ein Pensionskassenportfolio mit über 6 Prozent (s. Pictet-Indices).
Warum sind die Zinsen gegenwärtig tief? Dafür gibt es verschiedene Erklärungen. Für die aktuellen Zinsen ist die Haupterklärung sicher die international nach wie vor schwierige Konjunktur und die geringen Inflationserwartungen. Für die Schweiz kommt die Frankenstärke dazu. Verbessert sich die Konjunktur und steigt die Teuerung, so werden auch die Zinsen steigen.
In der Forschung gibt es Hinweise dafür, dass die (Real-)Zinssätze
in div. Ländern seit Anfang der 1990er Jahre gesunken sind (z.B. Link).
Was sind mögliche Erklärungen dafür?
- Die
Einführung des Euro. Diese hat in den peripheren Euro-Ländern zu tieferen
Realzinsen geführt. Das wenigstens vorübergehend. In jüngster Zeit sind diese
Realzinsen extrem gestiegen. - Lockere
Geldpolitik wegen global tieferer Inflation. Durch die weltwirtschaftliche
Integration sind neue Produzenten auf den Markt gekommen (z.B. China). Dieser
"Angebotsschock" hat strukturell die Teuerung gesenkt. Das erlaubte eine
lockerere Geldpolitik. Die tieferen Kurzfristzinsen haben sich auch in tieferen
Langfristzinsen niedergeschlagen. Diese Angebotsausweitung dürfte sich jedoch in
Zukunft verlangsamen. Ein Hinweis dafür ist die gestiegene Teuerung in
Schwellenländern (auch China). Mittelfristig könnte die Geldpolitik bei
gleichem Inflationsziel wieder restriktiver sein. Das hätte höhere reale
Langfristzinsen zur Folge. - Neue
Kapitalvorschriften für Versicherer. In Europa wurden in verschiedenen
Ländern neue Kapitalvorschriften für Versicherer eingeführt. So auch in der
Schweiz mit dem Swiss solvency test. Dieser führt dazu, dass die Nachfrage nach
länger laufenden Obligationen steigt. Mittelfristig sollten die daraus
folgenden tieferen Zinsen jedoch zu einer höheren Kapitalaufnahme führen, so
dass sich das Zinsniveau wieder erhöhen dürfte (s. dazu eine Studie der Uni St. Gallen: Link).
Es gibt zahlreiche Argumente dafür, dass die Zinsen nur vorübergehend relativ tief sind. Wenn Bundesbern dies verneint, muss es Argumente für seine Annahme dauerhaft tieferer Zinsen finden. Diese wurden bisher jedoch kaum vorgelegt.
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